Dienstag, 1. Juli 2008

Quiztaxi

Diese vorzügliche Satire über Deutschlands liebste Kreuzung aus mit Weihnachtsbeleuchtung versehenem Großstadttransportmittel und Guerilla-Ratesendung wurde von Frankie beigesteuert, der diesen und noch viele andere Texte auf seiner Satireplattform Frankies Satirewelt veröffentlicht hat.


„Wohin soll es gehen?“
Die füllige Frau in der ausgebeulten Jogginghose schaut fragend auf ihren Sohn.
Der stiert mit stumpfen Blick auf seine blechberingten Finger und grinst.
So rückt sie ihre beschlagene Brille zurecht und gibt selbst entschlossen Antwort.
„Zum Kölner Dom!“
Klingeling. Düdeldü! Täterätä! Willkommen im Quiztaxi!
Die Frau quietscht ungläubig auf und der Bengel erwacht aus seiner Lethargie.
„Ne, echt jetzt? Boh, Alder, voll geil, eh!“
Seine Begeisterung scheint reinsten Herzens zu sein.
Er streicht sich die fettigen Haare aus der Stirn.
„Haste gehört, Mudder, wir gewinnen jetzte richtig wat!“
In die Hände klatschend, lässt sie ein erfreutes „Supi!“ durch ihre vorstehenden Schneidezähne schlüpfen. Ihr Bauch wogt vor Begeisterung hin und her.
Erste Frage. In welcher Stadt steht der Eiffelturm?
Die Begeisterung des Jungen schlägt in Desinteresse um.
Muddern springt in die Bresche. Ihre Wurstfinger kneten nervös eine Einkaufstüte.
In Pisa, da ist sie sich sicher. Davon hat mal was in der Bildzeitung gestanden.
Die Stadt fängt zwar mit einem „P“ an, aber Pisa sei es nicht, so die kleine Hilfestellung des Moderators. Da Muddern keine weiteren Städte mit „P“ bekannt sind, greift sie zum Telefonjoker. Vaddern zu Hause auf dem Sofa ist da weltmännischer.
„In Paris, du blöde Kuh!“, gibt er bereitwillig Auskunft und setzt noch ein freundliches „Und sieh zu, dass du mit dem Kölsch hier antrabst!“ hinzu.
Die ersten 50 Euro stehen zu Buche.
Die Quizspieler liegen sich jubeln in den Armen.
Zweite Frage. Womit kocht man auf einem Campingplatz normalerweise das Essen?
Das ist die richtige Frage für den Junior. „Mit Dosen natürlich, weiß doch jeder. Nudeln in Tomate und so.“
Und womit macht man die warm?
„Mit dem Profangaskocher.“
Womit?
„PROFANGAS!“ Ob der Moderator was an den Ohren hat?
Scheiße, erstes Leben weg.
Dritte Frage. Von welchem Land heißt die Hauptstadt Wellington?
Betretenes Schweigen auf den Rücksitzen.
Kann ja nur Kanada oder Peru sein.
„Ja, ganz sicher Kanada oder Peru.
Jedenfalls in Afrika.“
Ja, was denn nun?
„Kanada“.
Sind Sie sicher?
„Ne“.
Dann noch mal überlegen!
„Hab keinen Plan. Nehm ich eben Neuseeland.“
Absolut logisch. 100 Euro!
Infernalisches Gekreische dringt nach vorn.
Vierte Frage. Welcher deutsche Dichter schrieb „Die Räuber?“
Mit der Literatur hat man es nicht so. Man verfügt aber doch noch über den Passantenjoker?
Das Taxi hält.
„Hallo, Sie da, kommen Sie mal her. Wer schrieb „Die Räuber?“
Die Passantin ist sichtlich verwirrt.
„Äh, ik nixe wisse von Räuber, bin rechtschaffendes Frau, musse gehen zur Arbeit, mache sauber in Büro, nixe Räuber!“
Der Moderator drängt auf eine Antwort. Man überlegt fieberhaft, schwankt zwischen Günter Grass und Günter Netzer. Auch Gerd Delling und Afred Hitchcock kommen zur Sprache. Wilhelm Busch, so die erlösende Antwort.
Schiller? War der das nicht mit dem Fausthandschuh? Enttäuschtes Augenverdrehen.Zweites Leben und Passantenjoker weg. Noch 200 Meter bis zum Ziel.
Letzte Frage. Jetzt gibt es was auf die Ohren.
„Eins, zwei, drei, vier Eckstein ... „ ertönt es aus den Lautsprechern.
In den Bengel kommt Leben, ein verzücktes Lächeln huscht über sein clerasilresistentes Gesicht. Er beginnt ekstatisch zu zucken und zeigt beim Mitsingen sowohl große Textsicherheit als auch fundierte mathematische Kenntnisse. Ja, da macht ihm so schnell keiner was vor, da ist er Experte!
„Fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn ...!“
Von wem ist wohl diese anmutige Weise?
Ein kurzes Stammeln, dann dringt ein „Umpf“ über seine gepiercten Lippen.
Richtig! Und schon ist das Ziel erreicht. 150 Euro wechseln den Besitzer.
Masterfrage? „Ne, dann is nacher alles weg!“
Der Moderator gratuliert und wischt sich verstohlen den Schweiß von seinem gequälten Lächeln.
Die glücklichen Gewinner ziehen jubelnd von dannen.
Sie hatten es schon immer gewusst.
Bildung zahlt sich irgendwann aus.

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