Heinrich VIII. von England hatte einiges, für das er der Nachwelt in Erinnerung geblieben ist. Zu nennen wären da zum Beispiel sechs aufeinanderfolgende Ehefrauen, eine selbstgegründete Konfession und, seinem Ruhm in den heutigen Tagen besonders zuträglich, seit kurzem auch eine eigene US-Fernsehserie. The Tudors (deutscher Titel: Die Tudors - Mätresse des Königs) läuft seit einem Jahr erfolgreich in den USA und seit zwei Wochen bei uns auf Pro7. Ich hab mir die ersten vier Folgen schonmal in der englischen Originalfassung zu Gemüte geführt, um den gemeinen Pro7-Schauer vor eventuellen intelektuellen Enthauptungen im vorhinein zu warnen.
Schon der erste Trailer auf Pro7 machte eigentlich einen ziemlich guten Eindruck. Wenn man gütig absieht von dem dämlich-reisserischen deutschen Titel (wenngleich selbiger das Mischverhältnis der Themen famliliäre Machtpolitik / Sex in der Serie ziemlich gut wiederspiegelt). Grammatikalisch schon mehr als fragwürdig - sinnvoll wäre eher "Die Tudors - Mätressen des Königs", ist er inhaltlich schlichtweg falsch. Die Tudors stellten die damalige königliche Familie und nicht die Mätressen.
Von diesen Unstimmigkeiten leicht irritiert springt einem sofort die, mit Ausnahme der etwas schwachen CGI-Schlösser, ungemein entschädigende visuelle Aufmachung ins Auge, denn The Tudors geht bei Kostümen und Requisite einen Weg abseits der abgelatschten Klischeedarstellung des Mittelalters à la Ritter aus Leidenschaft. Interessanterweise resultieren provisorisch Schlösser aus Holzgerüsten und Stofffassaden und Aufnahmen vom Hofstaat beim mitteralterlichen Hallentennis in einem unwillkürlichen Anstieg des gefühlten Realismusgrades. Überhaupt bewegt die Serie die Darstellung des Lebens am Hofe weg von der neuzeitlichen Idealvorstellung von langbärtigen Mittfünfzigern mit Hauptaugenmerk auf politischen Grundsatzentscheidungen hin zu einem verdammt glaubhaften Pack von Durchschnittsmenschen mit Eigeninteressen und einem König, der eigentlich nur entscheiden muss, wie sein Tagesablauf zwischen dem Deligieren von Aufgaben auf andere, dem reinen Zeitvertreib mittels Jagd, Sport, Festen und Hofdamen und schließlich dem aus seinem übergroßen Ego resuliterenden Geltungsdrang aufzuteilen ist. Wie ein roter Faden zieht sich das Erkenntnis durch die Story, dass zwar alles machen, was der König wünscht, er sich aber stets wünscht, was die anderen ihm enpfehlen.
Das vordergründige Geschehen hält sich bei Inanspruchnahme einiger künstlerischer Freiheit an die bekannten geschichtlichen Ereignisse, wobei Details (laut Wikipedia) angepasst wurden und die Chronologie der Ereignisse teils verschoben wurde, um in den Plot und die Logik der Serie zu passen, die zwischen den einzelnen Folgen den Abstand eines Jahres in der Geschichte vorsieht. Damit disqualifiert sich The Tudors als Grundlage für eine Geschichtshausarbeit, taugt aber gut als Einblick in die feudale Hofgesellschaft, wobei der gröbste historische Fehler das perfekte Aussehen sämlicher Charaktere sein dürfte. Die Unumgänglichkeit einer Anne Boleyn alias Nathalie Dormer zum Beispiel ist durchaus nachvollziehbar, was man von der historischen Person, wie sie auf Gemälden zu sehen ist, nicht in der Form behaupten kann.
Überhaupt sind die gute Anne und ihre Nebenbuhlerinnen ein essentieller Part der Sendung, und zwar auch ausserhalb ihrer historischen Rollen. Auf gut Deutsch wird ziemlich viel gevögelt, was ich trotz meines Interesses für seriöse Geschichte nicht unbedingt als Manko der Serie werten würde.
Genauso wenig zu meckern gibt es über die anderen Personen im Umfeld des Königs. Der nur opportunistische Berater Kardinal Wosley, dem jeder Verbündete auf seinem Weg zu Heiligen Stuhl recht ist, der idealistischer Lehrer, der bedauernd mit ansehen muss, wie seine humanistische Schule im Angesicht machtpolitischer Entscheidungen ein ums andere Mal von Heinrich in den Wind geschlagen wird oder der Botschafter Thomas Boleyn, der sich vorallem für die Verkupplung einer seiner Töchter mit dem Monarchen interessiert.
Diese Aspekte zusammen, der historische Plot um die irre Biografie eines nachvollziehbaren Heinrich VIII. mitsamt seines Umfelds und die geschickte Auskleidung der Episoden mit Intrigen, Bettgeschichten und Selbststudien der königlichen Psyche haben mich, zugegebenermaßen Mittelalterfan, die ersten vier Folgen The Tudors gut unterhalten und werden das bestimmt noch ein paar weitere Folgen lang tun. Mögen was Storytelling et cetera angeht auch echte Innovationen fehlen, dürfte das unverbrauchte Thema durchaus einen Blick wert sein.
Die Tudors - Mätresse des Königs läuft Samstags um 20:15 Uhr auf Pro7.
Als Rahmenprogramm empfehlen wir Medieval 2: Total War zu spielen und das Lied Viva la Vida von Coldplay dauerzuschleifen:
"I used to roll the dice
Feel the fear in my enemy's eyes
Listen as the crowd would sing:
'Now the old king is dead! Long live the king!'"
Max sagt: HOT!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Danke für Deine Meinung!